Grundschartner Nordkante

Grundschartner Nordkante
 
Was sagt man zu einem Tourismusangebot, das seit 84 Jahren unverändert existiert, technisch total veraltet, ja geradezu gefährlich ist und über eine miserable Infrastruktur verfügt? Walter Pause empfiehlt in seinem Buch „Im extremen Fels“ von 1977 einen solchen Anachronismus: die Grundschartner Nordkante, erstbegangen 1928, nur wenige, rostige Haken, teilweise noch von den Erstbegehern und 1400 Hm bis zum Einstieg, die Hälfte davon weglos. Hütte gibt es keine; mit Handy-Empfang ist nicht zu rechnen.

Warum man sich das antut? Vielleicht, weil es Bergsteigen in seiner ursprünglichen Form ist, vielleicht, weil man viel Landschaft für sich alleine hat, „back to the roots“? Angst hatte ich auch; wie würde ich die Schlüsselstelle mit  V+/A0 oder  6+  nach vier Stunden Aufstieg und nach weiteren 3 Stunden Kletterei bewältigen? So etwas hatte ich seit 25 Jahren nicht mehr gemacht und mein Gefährte ist 34 Jahre jünger als ich.

LED-Stirnlampen erlaubten uns, eine Stunde Aufstieg vor Morgengrauen hinter uns zu bringen. Erfahrungsberichte im Internet ließen uns den günstigsten Zustieg finden. Mobile Sicherungsmittel machten uns unabhängig von den alten Haken. Magnesiumtabletten verhinderten Krämpfe. Dann musste man nur noch klettern wie anno 1928. Ich hoffe, auch die Erstbegeher sind auf den letzten 200m müde geworden. Der Gipfel ist ein Trümmerfeld aus Granitblöcken und lädt nicht zum Verweilen ein, außerdem steht noch der 2000m-Abstieg bevor, davon 1500m weglos und ohne Markierungen. Zum Glück hatten wir Tageslicht bis zum Talgrund und das Gewitter wartete, bis wir um  22 Uhr das Auto erreichten.

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